Eine Woche am CERN - Physik zum Staunen

Physikunterricht lebt von anschaulichen Beispielen und echten Bezügen zur Forschung. Deshalb freuen wir uns, dass unser Kollege Michael Bartsch an der renommierten CERN Summer School in Genf teilnehmen konnte. Von dort bringt er nicht nur neue Impulse für den Unterricht, sondern auch spannende Einblicke in aktuelle Forschung und konkrete Anknüpfungspunkte für unsere Schülerinnen und Schüler mit. Sein Reisebericht zeigt, wie faszinierend die Welt der Teilchenphysik ist.

Auf Einladung des Netzwerks Teilchenwelt durfte ich gemeinsam mit 21 weiteren Lehrkräften aus allen Bundesländern vom 27. Juli bis 2. August 2025 an der CERN Summer School in Genf teilnehmen, d.h. am größten Kernforschungszentrum der Welt (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire).
Schon am ersten Abend erlebten wir Physikgeschichte hautnah: Bei einem Rundgang über das Gelände standen wir in den Räumen, in denen vor gut 35 Jahren die Grundlagen des World Wide Web entwickelt wurden aus dem ganz praktischen Bedürfnis heraus, Forschungsdaten international zu teilen.
Die Woche war prall gefüllt mit Vorträgen, Workshops und spannenden Besichtigungen. Am Montag frischten wir unsere Kenntnisse der Teilchenphysik auf und besuchten anschließend den Teilchenbeschleuniger LEIR sowie das eindrucksvoll inszenierte, historische Synchrocyclotron, wo auch das Kursbild meines Leistungskurses entstand.
Dienstag und Mittwoch führte uns Prof. Dr. Michael Kobel, Mitgründer des Netzwerks Teilchenwelt, durch die Grundlagen von Symmetrien und Lagrange-Dichten. Anspruchsvoll, aber die perfekte Vorbereitung für den Vortrag von Alexander Yohei Huss, einem theoretischen Physiker am CERN, der uns am Donnerstag den Weg von Lagrange-Dichten zu den berühmten Feynman-Diagrammen zeigte.
Für Abwechslung sorgten die eingebetteten Exkursionen: In der Cryogenetic Test Facility SM18 werden riesige supraleitende Magnete bei eisigen 1,9 Kelvin getestet. In der Isotopenfabrik ISOLDE geht es um den Aufbau und das Verhalten radioaktiver Atomkerne.
Am Mittwochnachmittag stand ein Ausflug an den Genfer See und in die Altstadt auf dem Programm. Den geselligen Abschluss bildete am Abend ein traditionelles Käsefondue in einem urigen Schweizer Chalet.
Ein echtes Highlight war der Besuch der Antimaterie-Fabrik. Hier wird Antimaterie nicht nur erzeugt, sondern auch beschleunigt und präzise vermessen – Experimente, die an Science-Fiction erinnern, aber Realität sind. Atemberaubend waren auch die Besuche der beiden gigantischen Teilchen-Detektoren ATLAS und CMS am Large Hadron Collider. Besonders eindrucksvoll: die Fahrt hinab in die 88 Meter tiefe Kaverne des CMS-Detektors und die Erfahrung, dass selbst durch massive Betonwände die Effekte des mehrere Tesla starken Magnetfelds spürbar sind. In den Wartungsperioden hat man von hier aus Zugang zur 27 km langen LHC-Röhre.
Am Freitag stand das Higgs-Boson im Mittelpunkt. Nach einem Vortrag von Prof. Dr. Stan Lai (Universität Göttingen) zu seiner Vermessung folgte ein Besuch des neuen Science Gateway. Dort bauten wir eine Wilson’sche Nebelkammer, führten ein PET-Experiment mit direktem Bezug zum Schulunterricht durch und beobachteten beim Mini-Beschleuniger ELISA live den sogenannten Bragg-Peak, ein Effekt, der in der modernen Strahlentherapie genutzt wird.
Ich kehre zurück mit vielen neuen Ideen für einen anschaulichen und anwendungsbezogenen Physikunterricht, mit spannenden Kontakten und wertvollen Tipps zu Schülerprogrammen wie dem CERN-Solvay Education Programme oder dem internationalen Beamline-Wettbewerb.
Mein herzlicher Dank gilt dem Netzwerk Teilchenwelt, insbesondere Tobias Treczoks (LMU), Prof. Dr. Michael Kobel (TU Dresden), Philipp Lindenau (TU Dresden), der Dr. Hans Riegel Stiftung und allen Partnern, die diese unvergessliche Woche ermöglicht haben.
Michael Bartsch im August 2025