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Kooperationsprojekt der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf mit der Klasse 6C im Deutschunterricht von Frau Brinkmann

Distanzlernen als Spurensuche: Ein virtueller Rundgang in der Mahn- und Gedenkstätte mit digitalem Workshop zu Lebensgeschichten von Kindern und Jugendlichen in der NS-Zeit
Digitaler Museumskoffer
Datum:
19. Apr. 2021
Von:
Birgit Brinkmann

Ich packe meinen Koffer…

Was wie der unbeschwerte Anfang eines bekannten Kinderspieles klingt oder für den Beginn einer wunderbaren Urlaubsreise stehen könnte, fordert Anna enorm heraus.

Entsprechend der Packanweisung ihrer Mutter muss sie sich entscheiden, was sie auf der Flucht aus Deutschland im Jahre 1933 aus ihrem Kinderzimmer mitnehmen möchte und was in einen Koffer passt. Dass es nicht ihr innig geliebtes Stofftier - ein rosa Kaninchen - geworden ist, bedauert sie später sehr.

In dem Jugendbuch „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ erzählt die Autorin Judith Kerr aus der Perspektive der neunjährigen Anna von den Erlebnissen ihrer eigenen jüdischen Familie. Ihrem Vater, ein angesehener Publizist, droht nach der Machtergreifung Hitlers wegen seiner Kritik am Nationalsozialismus die Verhaftung. Deshalb verlässt die Familie ihr Berliner Zuhause, die Schule, Freunde – alles, was ihnen lieb und teuer ist, um sich in der Fremde ein neues Leben aufzubauen. 

Anna muss sich in ihrem Exil an verschiedene Stationen (Zürich, Paris und London) gewöhnen und immer wieder neu einleben. Es dauert, bis sie in den neuen Sprachen denken und träumen kann. Die Familie bedeutet ihr während dieser Zeit alles: „Wenn man kein Zuhause hat, muss man zusammenbleiben. […], sonst verliert man sich […]“, sagt Anna einmal. 

Besonders der familiäre Zusammenhalt ist es, den die Schüler/innen der Klasse 6C in diesen Corona-Zeiten ebenfalls zu schätzen gelernt haben und der sie sensibel gemacht hat für die Veränderungen im Leben von Anna.

Die unterrichtliche Auseinandersetzung mit dem Jugendbuch mündete in die Erstellung eines digitalen Buchprojektes über Annas Verlust der Heimat und ihrem Leben in der Fremde, bei dem die Schüler/innen trotz des Distanzlernens in Partnerarbeit kreativ zusammenarbeiten konnten. Dabei wurden − zusätzlich zu ihrer Lebensgeschichte − auch heutige Fluchtsituationen mit in den Blick genommen und erweiternd recherchiert. 

Digitales Buchprojekt von Moritz Hammerschmidt und Leopold Hennle, 6c
18 Bilder

Ähnlich wie der jungen Berlinerin Anna erging es damals auch den Düsseldorfer Kindern mit jüdischen Wurzeln Nora Schüler und Tom Katz auf ihrer Flucht vor den Nazis. Viel mehr wie einen Koffer konnten auch sie nicht mitnehmen.

Wer die beiden waren und wohin sie flüchten mussten, erfuhren die Sechstklässler in einem Kooperationsprojekt mit der Düsseldorfer Mahn- und Gedenkstätte. Was zunächst wegen der Corona-Pandemie in diesem Jahr nicht möglich zu sein schien, ließ sich durch einen seit Kurzem möglichen digitalen Workshop mit einem virtuellen Rundgang in der Mahn- und Gedenkstätte während des Homeschoolings verwirklichen.  

Biografie-Insel zu Nora Schüler

Gemeinsam mit ihrer Lehrerin Frau Brinkmann in Zusammenarbeit mit Frau Schlieck, der Leiterin der Bildungsarbeit in der Mahn- und Gedenkstätte, gingen die Schüler/innen in mehreren Videokonferenzen des Faches Deutsch auf Spurensuche. Interessiert erkundeten sie virtuell die Räume der Ausstellung, lernten interaktive Schautafeln kennen und „öffneten“ einen sog. digitalen „Museumskoffer“. Darin fanden sie zusätzliche Abbildungen, Dokumente sowie authentisches Audio- und Filmmaterial der Zeitzeugen Nora und Tom. 

Als Ergebnis ihrer Annäherung an den Lebensweg von Nora entstand ein Padlet, in dem die Schüler/innen ihre Recherchearbeiten in Form einer „Biografie-Insel“ sehr informativ und anschaulich mit Texten, Bildern, Toneinspielungen etc. präsentierten. Im direkten Vergleich mit ihren eigenen, im Deutschunterricht entstandenen, digitalen Buchprojekten entdeckten sie sowohl bei Nora Schüler als auch bei der Autorin Judith Kerr berührende Parallelen in Bezug auf deren Fluchterfahrungen.

Der Journalist Christopher Trinks, der an diesem virtuellen Workshop in einer der Videokonferenzen teilnahm und einen Artikel in der Rheinischen Post (23.03.21) über das Pilotprojekt verfasste, fragte die Schüler/innen abschließend, ob sie sich vorstellen könnten, über das Virtuelle hinaus noch ganz „real“ die Mahn- und Gedenkstätte aufzusuchen. Hier fiel die Antwort einhellig aus: Man sei jetzt erst recht interessiert und beabsichtige direkt vor Ort weitere Schautafeln und interaktive Angebote der Ausstellung zu erkunden. Umso besser, dass unser St.-Ursula-Gymnasium nur wenige Gehminuten entfernt liegt.