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Tage religiöser Orientierung in Breslau/Auschwitz

Breslau2024-5
Datum:
5. Juli 2024
Von:
Marcus Rasche

Sieben Tage in Polen – dort verbrachte die 10b ihre Tage religiöser Orientierung (TRO). Für die allermeisten war Polen unbekanntes Terrain. Für viele hat erst der Ukraine-Krieg und hat dann auch der spektakuläre politische Wechsel die Aufmerksamkeit auf dieses Land gerichtet. Auch die unterrichtliche Beschäftigung mit der Zeit des Nationalsozialismus richtete den Fokus auf Polen – wurden dort doch, vor allem von der SS, die größten Verbrechen verübt, die die Menschheit je gesehen hat.

Also Polen – zumal man sich, anders als die anderen 10.-Klässler:innen, für einen Segeltörn auf dem Ijsselmeer nicht hatte erwärmen können. 

Kurz gesagt: Diese Fahrt war umwerfend. Nicht nur, weil wir in einem alten, wunderschönen klösterlichen Gästehaus unterkamen, direkt auf der Dominsel Breslaus, direkt am Ufer der Oder – mit großem Garten, mit einem alten Café, mit eigener Hauskapelle, mit Ausblick auf die mittelalterlichen Backsteinkirchen direkt in der Umgebung. Sondern auch, weil Breslau uns mit unglaublich vielen, schönen Eindrücken überrascht hat: eine reiche Stadt, reich an Baudenkmälern, riesigen Plätzen, kleinen Gässchen, Museen, Kirchen, sehr leckerem Essen (Pierogi!), mit Gotik, österreichisch-böhmischem Barock, aber auch ganzen Stadtvierteln, die genau so aussehen, wie Berlin (Breslau war ja lange Zeit auch preußisch). Aber nicht zuletzt auch wegen der Herzlichkeit, mit der wir im Gästehaus und bei vielen anderen Gelegenheit von den Breslauern und Breslauerinnen aufgenommen worden sind. Vielleicht lag Letzteres ja auch daran, dass wir zur Vorbereitung der Fahrt im Polnischen Institut / Düsseldorf, einen Crash-Kurs Polnisch absolviert hatten, so dass jeder von uns sein etwas gebrochenes „dziendobry“ herausbringen konnte, das oftmals wie ein Eisbrecher wirkte. Ansonsten konnte man sich in der großen Stadt gut in englischer Sprache verständigen.

Das half auch bei unserer Begegnung mit Polnischen Schüler:innen und Lehrer:innen in einem alten, ehrwürdigen preußischen Schulgebäude, wo ein reger, fröhlicher Austausch stattgefunden hat. Unsere Schüler:innen haben dabei einen so guten Eindruck gemacht, dass man am liebsten sofort eine Schulpartnerschaft mit uns etablieren wollte. Wir haben ziemlich munter über alles Mögliche geredet, die Lehrenden natürlich v.a. über den Politischen Umbruch, und bei vielen polnischen Kolleg:innen war spürbar, dass sie nun befreiter aufatmen konnten.

Und dann kam Auschwitz, das eigentliche Gravitationszentrum dieser Fahrt. Darüber lässt sich nicht wirklich berichten, das muss man erleben oder besser durchleben. Ich kann nur dies sagen, dass abgesehen von dem Grauen, das wir dort sahen, für mich am Eindrücklichsten war, dass unsere Schüler:innen sich bewegen ließen – teils sehr bewegen ließen. Wir hatten den Besuch zwar in der Kapelle vorbereitet, auch mit Blick auf Gefühle, die evtl. aufkommen könnten; aber vor Ort ist es dann doch noch einmal etwas anderes… Die anschließende Reflexion hat das sehr deutlich gemacht. Aber: Die Hoffnung ist, so denke ich, noch nicht verloren, solange sich Menschen bewegen, vom Leid anderer berühren lassen.

Im Vorfeld hatten wir uns das jüdische Breslau intensiver angesehen, ein einstmals blühendes Leben, und im Anschluss hat uns ein uralter, sehr berühmter jüdischer Gelehrter durch die alte Synagoge Breslaus geführt, eine der wenigen, die in der Pogromnacht 1938 nicht niedergebrannt wurde – und am Ende, das war sehr berührend, holte er die Torarolle aus dem Schrein und rezitierte das „Schma Jisrael“, das uralte Glaubensbekenntnis Israels aus dem Buch Deuteronomium. Es war nach dem Besuch in Auschwitz doch, wenn man das so sagen darf, irgendwie gut zu sehen, dass es jüdisches Leben in Polen gib – wo die Nationalsozialisten doch allein in diesem Land über 3 Mio Juden ermordet hatten.

Eine wirklich bewegende Fahrt wurde am letzten Tag mit viel Freizeit abgerundet – ein Eindruck, den auch die auf Hin- wie Rückfahrt mehrfach wegen Motorschadens liegengebliebenen Lokomotiven letztlich nicht trüben konnten.

Es wäre darüber nachzudenken, ob man, mit Blick auf unser Fahrtenprogramm, nicht an diese Erfahrungen anknüpfen sollte.

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